Unendecktes Land e.V.
Es ist Krieg allerorten und »wir Deutschen sind wieder wer« und dabei und vorneweg. Krieg wofür? Als sich 1992 gerade der Staub der einstürzenden Mauerteile in Berlin gelegt hatte, gab es die Antwort von Bundeskriegsminister Rühe, dessen Sicht nach Osten keine NVA-Kaserne mehr störte:
»Für die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt …«
Ab da war klar, was auf westdeutscher Seite hinter dem Stahlbeton der deutsch-deutschen Grenze über 40 Jahre auf Revanche gelauert hatte. Und war es nicht da schon klar, dann doch spätestens 7 Jahre später, als deutsche HARM-Luft-Boden-Raketen von deutschen Tornados-Piloten Krater in jugoslawischen Boden schlugen. Etwa dort, wo eine Generation zuvor der Donner der faschistischen Wehrmacht über Bergen von Ermordeten verhallt war.
Spätestens seit diesem ersten deutschen Angriffskrieg seit 1945 war ein armselig dummer Tölpel, wer sich noch mit dem Sandsäcke-Schippen »unserer Jungs« beim Oderhochwasser oder der Aussetzung der Wehrpflicht die »Friedenstruppe« vorgaukeln ließ. Heute haben die Siemens, Krupp und Deutsche Bank das Märchen vom Frieden schon lange nicht mehr nötig. Die Militarisierung der Gesellschaft, angefangen beim Werben fürs Sterben schon bei Minderjährigen, bis zur offenen Kriegsvorbereitung erneut gegen den Feind im Osten, das alles ist schon lange normal, wieder. So »normal« wie finster blickende Landser der Bundeswehr auf Großflächenwerbung an der Straßenbahn oder „deutschen Panzern für den Kampf gegen die Russen“. Es geht schnell und soll noch schneller gehen, verkündet Generalinspekteur Carsten Breuerund die Tagesschau:
„In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein…“
Dafür wurde das größte deutsche Aufrüstungsprogramm seit 1945 angeschoben, begründet wurde die „Zeitenwende“ wie auch das letzte große Aufrüstungsprogramm, mit dem der 2. Weltkrieg vorbereitet wurde: mit der „Bedrohung aus dem Osten“. Und wenn es auch noch ein paar Jahre brauchen sollte, bis wir wieder militärisch „kriegstüchtig“ sind, verbal sind wir es schon lange. Den „Feind“ müssen wir ruinieren, kommandiert die deutsche Außenministerin, und Europa müssen wir militärisch führen, kommentiert eine deutsche Kriegsministerin.
Mögen andere von ihrer Schande sprechen, wir sprechen von der unsrigen
Und alle reden von Schande Russlands und seines Präsidenten. Der ist laut Handelsblatt ein „Faschist“, der, wie die FAZ berichtet, einen „Vernichtungskrieg“ führt. Vor frappierenden „Gemeinsamkeiten mit Hitler“, warnt der Spiegel. Kein militaristisches Getöse in diesem Land, das nicht einher geht mit der Relativierung und Verharmlosung des deutschen Faschismus und seiner singulären Verbrechen. Ein Zweiklang, er ist die Ouvertüre zum dritten Anlauf. Der Sound ist uns bekannt, es ist immer auch der Abgesang auf die deutsche Nachkriegszeit.
Krieg ist hier immer das, was Andere anrichten. Unsere Kriege verbuddelt man dagegen unter dem Geschrei von der Schande jener Anderen. Und wenn die Welt sich an jedem 8.Mai vor den Befreiern verneigt, um die Weltkriegstoten trauert und den Sieg über den deutschen Faschismus feiert, schweigt sich dieses Deutschland aus. Anders als die DDR für die der 8.Mai, der Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus und ein Feiertag war – ist und bleibt dieser Tag in diesem alten neuen BRD ein „Trauertag der deutschen Niederlage“.
Bis heute hat die deutsche Regierung wie alle Regierungen der BRD zuvor am 8.Mai für nichts und niemanden zu danken. Seit Jahren untersagt man in Berlin am 8.Mai selbst die Fahne des Staates, der die größte Last im Kampf gegen das faschistische Deutschland trug, die Sowjetunion. Passend dazu verwehrt man offiziellen Vertretern der Regierung vom deutschen Faschismus überfallenden Staaten die Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen in den KZ-Gedenkstätten. Eine Schande so groß wie der Mond nur der Hochmut und die Heuchelei der deutschen Regierung ist noch größer. Vergessen sein soll der 2. deutsche Weltkrieg, und das alles, was es an Bestialität gegen die Menschheit bis heute gibt, von Nazideutschland weit übertroffen wurde. Mit der Shoa definierte Deutschland neu, was an Feindschaft gegen das menschliche Leben möglich ist. Zum Entsetzen der zivilisierten Welt, die tat, was wir Deutschen zu unserer Schande nicht vermochten. Andere, und nicht wir, schlugen im Namen der Freiheit und des Lebens unter unsagbaren Opfern zurück und den deutschen Faschismus nieder. Die Anderen, das war die Anti-Hitler-Koalition und ihre Tat war eine Befreiung.
Sbasibo – Thanks – Merci und Danke!
Nach dem letzten Krieg
Die Befreier vergalten nicht Gleiches mit Gleichem. Das deutsche Volk wurde nicht erschossen, erschlagen, verbrannt, weder ausgehungert noch vergast, so wie es die Deutschen mit Millionen getan hatten. Was stattdessen zu tun sei, war zu beraten. Dazu trafen sich die Regierungsspitzen der 4 wichtigsten Staaten der Anti-Hitler-Koalition. Und weil das in Potsdam geschah, genau am 2. August 1945, nannte man das Ergebnis dieser Beratung fortan das Potsdamer Abkommen. Seine wichtigsten Beschlüsse gingen als die
»4 Ds« in die Geschichte – und im Osten auch in die Geschichtslehrbücher- und dort vor allem aber in das gesellschaftliche Leben ein. D wie …
1. Denazifizierung: Verbot der NSDAP und aller anderen Nazivereine, Bestrafung aller Kriegsverbrecher, faschistische, rassistische, antisemitische, chauvinistische Propaganda unter Strafe.
2. Demilitarisierung: Völlige Abrüstung, Zerschlagung aller militärischen und zum Erhalt der militärischen Tradition geeigneten Organisationen. Zerschlagung der Rüstungsindustrie.
3. Demokratisierung: Umgestaltung des öffentlichen Lebens auf demokratischer Grundlage, Abschaffung sämtlicher Gesetze und Verordnungen der Nazis, Zulassung antifaschistischer Organisationen.
4. Dezentralisierung: Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinigungen.
Deutschland wurde aufgeteilt in vier Besatzungszonen, drei für Frankreich, Großbritannien und die USA und eine für die sowjetisch besetzte Zone, kurz SBZ. Während man in der SBZ daran ging, ein D des Potsdamer Abkommens nach dem anderen umzusetzen, blieb es in den westlichen Besatzungszonen im Großen und Ganzen beim Alten. Und auch in den Kommandohöhen von Wirtschaft, Politik, Justiz und vor allem Militär saßen wieder die Alten. Die Westmächte sahen immer großzügiger weg und rot, nicht die Schlange des deutschen Faschismus, die sie eben noch an der Gurgel hatten war mehr ihre Sorge, das neue Feindbild hieß Kommunismus.
Vergessen was nie vergessen werden durfte
Nie wieder Krieg und Faschismus wurden drüben passé. Die neue Rechnung der Westmächte lautete jetzt: „Jeder Feind der Bolschewisten ist mein Freund!“ Und wer nur kräftig genug ins antikommunistische Horn stoßen konnte, bekam Zucker und einen Marshallplan in den Arsch geschoben. Ob aus Wehrmacht oder SS, noch jede Faschistensau war gut genug für den Kampf gegen die Sowjetunion. Die vormals mit ihr gemeinsam getroffenen Beschlüsse gegen ein Wiedererstarken des deutschen Faschismus und Militarismus wurden in der Westzone eine störende Unwichtigkeit.
Auch das Betteln und Bitten der Sowjetunion, die auf die Umsetzung der Potsdamer Beschlüsse beharrte, konnten den Zerfall der Anti-Hitler-Koalition nicht aufhalten. Die drei Westzonen wurden eine große »Trizone«, gegen die SBZ. Ein Pla, der sich bald als Teilungsplan herausstellen sollte. Und schon vor der nahenden Teilung von Trizone und SBZ wurde der Umgang mit den Potsdamer Beschlüssen zur roten Linie dazwischen.
Während im Osten auf die Kriegsverbrecher und Finanziers Hitlers Enteignung und Todesstrafe warteten, kamen sie in Westdeutschland in die Regierung und bauten sich eine neue Armee und auf Basis ihrer Kriegsbeute neue Firmenimperien auf. Wo ihre Geschichte, die Geschichte der Siemens, Daimler, Deutsche Bank & Co., in der DDR mit der Überführung in Volkseigentum endete, ging sie in der BRD ungebremst weiter. Justiz, Wissenschaft, Forschung & Schule, Wirtschaft, Gesundheitswesen – wohin man auch schaute, der Osten machte es anders, der Westen machte nur weiter. Die BRD baute auf die alten
Experten – wirtschaftlich rechnete sich das. Die DDR dagegen riss jede alte Struktur nieder, auch wenn erstmal nichts mehr funktionierte und sie das wirtschaftlich ins Minus riss.
Durch Deutschland ging ein tiefer Riss, nicht nur entlang der Fragen des Potsdamer Abkommens. Für den Westen konnte er nicht schnell und tief genug gehen. Dort gab man Richtung und Geschwindigkeit vor:
Verweigerung der vereinbarten Reparationsleistungen an die Sowjetunion, endgültige Spaltung des deutschen Wirtschaftsraums durch eine separate Währungsreform, Gründung des Separatstaates BRD, Einordnung in das westliche Militärbündnis NATO, Aufstellung der Bundeswehr unter Führung von Nazimilitärs. Der SBZ blieb nur, um den 1945 gemeinsam mit dem Westen eingeschlagenen Kurs zu betteln und dann mit Tatsachen zu reagieren: Gründung der DDR und des Warschauer Verteidigungspaktes, Aufstellung der NVA, Sicherung der Staatsgrenze der DDR.
Die Wahrheit ist immer konkret
Der Widerspruch, der den Riss zwischen den Himmelsrichtungen aufmachte, war weder die „Freiheit“ von was und wem auch immer, der Widerspruch war ein anderer:
So wie das Führungspersonal des Nazi-Reiches in den Westen floh, flohen dorthin die Eigentümer der Banken und Konzerne, die ihren Hausmeister Adolf Hitler einst für den Raubzug groß machten. Jenseits der Grenzen der SBZ/DDR waren sie sicher, die Umsetzung des Potsdamer Abkommens im Westen hätte auch ihr Ende bedeutet. So wurde die Staatsmacht BRD mit alledem, was sie ausmachte, zum Garanten der Nichtumsetzung des Potsdamer Abkommens in Westdeutschland. Sie wurde zur Schutzmacht der Banken und Konzerne, deren Vernichtung im Osten vollzogen wurde. Sie wurde zur Schutzmacht der Nazigrößen und Kriegsverbrecher, deren Bestrafung und Enteignung im Osten zur Realität wurde.
So wie die Trizone mit der Gründung des Separatstaates BRD diesen Status betoniert hatte, konnte auch die SBZ darauf nur mit einer Staatsgründung reagieren, um ihre Position an dieser Front zu befestigen. Die Deutsche Demokratische Republik wurde damit, mit alledem was sie ausmacht, mit alledem was man ihr mochte und hasste, zum Garanten der Umsetzung des Potsdamer Abkommens. Sie wurde zum Garanten der Umsetzung der Forderungen der vom deutschen Faschismus Überfallenen wenigstens in einem Teil Deutschlands.
Die Lösung „Mauer“ war, wie Kennedy sagte, „keine sehr schöne Lösung, aber … verdammt noch mal besser als ein Krieg“.
Auch wenn es dieser Grenze nicht unmöglich machte die DDR zu verlassen und sie niemanden zwang zu bleiben, wie die über 300.000 beweisen die einen Ausreiseantrag stellten, diese Grenze machte es den Leuten schwierig einfach zu gehen. Trotzdem gingen viele, bis zum Ende der DDR über 2 Millionen. Drüben lockten höhere Löhne und ein Wirtschaftswunder, das alles andere als verwunderlich war.
Die für den Westen günstigen ökonomischen Teilungsproportionen, die dort unangetasteten gigantischen Kriegsgewinne deutscher Konzerne und Banken wirkten zusammen mit der massiven Injektion von ausländischem Kapital durch den Marshallplan und den aus der DDR strömenden, gut ausgebildeten Arbeitskräften für ein wachsendes Wirtschaftsgefälle zwischen BRD und DDR. Auch lockte der Westen mit der Ruhe vor der in SBZ/DDR tobenden Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit.
In der DDR dagegen »lockte« erst mal nichts, nur das Versprechen, das alles anders würde. Dazu gab es anfangs harte Arbeit für Essensmarken und die Anwesenheit dieser Russen, die man zu hassen in den letzten Jahrzehnten von Kaiser & Führer von der Pike auf gelernt hatte. Tausend Widersprüche, tausend Probleme & Fehler und tausend offene Fragen von Menschen die 100 Jahre gewöhnt waren Kaiser und Führer hinterher zu rennen. Die DDR verlor diese Schlacht. Wohlstand, Wirtschaftswunder und der behagliche Schlussstrich unter die Geschichte hatten vor allem kurz nach dem Krieg für zu viele Deutsche weit mehr Anziehungskraft als Antifaschismus, Antimilitarismus und Sozialismus
Diese Grenze wurde aufgehoben, damit wir gemeinsam wieder in den Krieg ziehen
Antifaschistischer-Antimilitaristischer Schutzwall – wer hat sich nicht alles über die „Propaganda der DDR“ lustig gemacht – Doch nach weit über 200 Mordopfern deutscher Faschisten seit dem Anschluss der DDR und dem Einzug ihrer faschistischen Parteien in die Parlamenten, nach dem Angriff der BRD auf Jugoslawien mit dem ersten deutschen Angriffskrieges seit 1945 – 9 Jahre nach dem Ende der DDR, mit jener furchtbaren seit dem Anschluss immer schneller galoppierenden Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche, mit dem erneuten Einschwören und Kriegsertüchtigung der Bevölkerung, gegen den Feind im Osten, mit jedem Schritt der ins Unermessliche ausartenden Aufrüstung mit jedem Kriegseinsatz der Bundeswehr – bleibt immer mehr das Lachen im Halse stecken. Durch dies alles, durch jeden weiteren Schritt der Vorbereitung neuer, größerer Kriege der BRD um Rohstoffe und Absatzmärkte, mit jedem weiteren Bodengewinn des deutschen Militarismus in Schulen und
Universitäten, mit jedem Aufhetzen gegen jene, die sozial an den Rand gedrängt werden, mit jedem weiteren Schlag des Abrisshammers in die Ruine des Rechts auf Asyl, mit den hunderttausenden Grenztoten
auf dem Grund des Mittelmeeres um die man hier fast keiner eine Träne weint, wird klarer, dass diese Grenze aufgehoben wurde, damit wir gemeinsam wieder in den Krieg ziehen. 1999 fragte ein Bündnisse aus Friedenbewegung und linken Organisationen mit an zwei Schwerlastkränen in die Höhe gezogenen Schriftzug, ob diese Grenze fiel, damit wir wieder gegen andere Völker in den Krieg ziehen. 2014 beantwortet der Verein Unentdecktes e.V. diese Frage mit einem 50 Meter langen Banner auf dem Alexanderplatz. Das Banner ist heute dasselbe, denn die Zustände sind noch dieselben. Doch auch wenn so vieles so unabänderlich erscheint und nicht besser wird. Die Welt verändert sich doch, kein Stein bleibt auf dem anderen. Rückschritt gegen Fortschritt, Geschichte wird gemacht jeden Tag. Die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte ist der Kampf dagegen sie Weltkrieg um Weltkrieg wiederholen zu müssen. Um den nebligen Weihrauch namens „Freiheit“, mit dem man uns davon abhalten- und nicht nur in diesen Tagen die Tränen in die Augen treiben möchte, ist es nicht schade. Kühl der Kopf und klar die Augen, schauen wir uns endlich um!
Wer möglichst viele Möglichkeiten hat, dessen Freiheit ist es. Hat der Arbeiter möglichst viele Möglichkeiten, ist es die Freiheit des Arbeiters. Hat das Kapital möglichst viele Möglichkeiten, ist es die Freiheit des Kapitalisten. Schau um dich, wer möglichst viele Möglichkeiten hat, und du weißt, wessen Freiheit das ist.
Unentdecktes Land e.V.