Hans Bauer auf dem 38. Grenzertreffen der GRH am 7. 9. 2024
Liebe Genossinnen und Genossen! Liebe Freunde und Sympathisanten!
Unser 38. Grenzertreffen ist dem 75. Jahrestag der DDR gewidmet
Ein paar Gedanken, ohne Anspruch auf eine Festrede.
Gerade haben wir mit Empathie unsere DDR-Nationalhymne vernommen.
So oft ich diese Hymne höre, mich ergreift diese Melodie, dieser Text.
Heute noch mehr, als die DDR existierte. Damals war sie selbstverständlich.
Unser Lied, das Lied unseres Landes DDR. Das wir verloren haben. Nicht nur, aber auch aus eigenem Verschulden.
41 Jahre existierte die DDR. Seit 34 Jahren ist sie Vergangenheit. Und doch ist sie so sehr Gegenwart.
Lebendig. Im persönlichen Alltag, in allen Bereichen des täglichen Lebens – von der Wirtschaft bis zum Sport. In der Politik sowieso, wie wir gerade mit den jüngsten Wahlen in Thüringen und Sachsen erfahren haben.
Viele von uns haben die DDR miterlebt, aufgebaut, geschützt.
Auch das war für uns selbstverständlich.
Und heute ist uns mehr denn je bewusst, wie wertvoll sie uns war –
für den Menschen.
Ich erinnere an die Worte von
Peter Hacks „Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR“
An ein paar besonders wichtige Erfahrungen, deren wir uns rühmen, historisch bedeutsame, möchte ich erinnern. Gerade weil unsere Geschichte in der heutigen Gesellschaft verfälscht, vergessen, diffamiert wird.
Schon die ersten Zeilen der Nationalhymne markierten unseren Weg, den wir gegangen und über Jahrzehnte auch erfolgreich gegangen sind.
Auferstanden aus Ruinen
und der Zukunft zugewandt
Ja, Ruinen des Faschismus, der faschistischen Herrschaft, waren überall, in Deutschland besonders auch in den Köpfen war der Faschismus. Da war aufzuräumen. Nicht nur mit Überzeugung, auch mit Geboten, Verboten, auch mit Zwang.
Die schlimmsten Faschisten wurden mit aller Konsequenz verfolgt und verurteilt – bis in die 1980-er Jahre, insgesamt über 12 000 (in der wesentlich größeren BRD ca. 6 000, wohin die meisten sogar geflüchtet waren). Ein Großteil der Lehrer musste durch Neulehrer ersetzt werden. 90 % der Richter und Staatsanwälte waren nicht mehr für eine demokratische Justiz geeignet (über die BRD brauchen wir gar nicht zu sprechen, dort war es umgekehrt, ich erinnere an Globke, Filbinger etc.)
Zugleich setzten eine umfassende Aufklärung, Bildung und Erziehung ein.
Das neue Deutschland musste der Zukunft wegen vom faschistischen Denken bereinigt, befreit werden.
Ja, Antifaschismus war in der DDR Staatsräson, von denheutigen Machthabern als „verordnet“ diffamiert.
Dazu im Jahre 2 000 Kurt Goldstein, ehemaliger Häftling in Konzentrationslagern: „Es ist medien- und Politik üblich, den Antifaschismus in der DDR herabsetzend als „verordnet“ zu bezeichnen. Natürlich war er verordnet. Wie sollte es auch anders sein in einem Land, dessen Menschen zu 90,95 % …Hitler die Treue gehalten hatten. Ich bin mir auch der Defizite dieses Antifaschismus bewusst…. Wahr ist aber auch, dass es diese Erziehung zum Antifaschismus, die Vermittlung seiner Werte zur Menschlichkeit, Toleranz, Völkerfreundschaft gab und diese Werte bei vielen sich bis heute erhalten haben. In der BRD Adenauers dagegen waren die Beamten Hitlers… nach kurzer Schampause staatstragende Elemente. Das soll sich nicht auf das geistige Klima in der Gesellschaft ausgewirkt haben und nicht bis heute nachwirken?“ (LAZ, Ausgabe 17, Oktober 2000).
Wir erleben es heute. In der Ukraine. Wie Faschismus und Krieg miteinander verbunden sind.
Das Perfide: Die Regierung und Opposition schmücken sich selbst – unglaublich! – als Antifaschisten. Verkünden kraft ihrer Macht und Möglichkeiten Demonstrationen gegen Rechts. Dabei sind sie mit ihrer Politik selbst rechts außen. Und verführen einen großen Teil der Menschen. Das sind die wahren Volksverhetzer.
Die Nationalhymne der DDR ist durchdrungen von Frieden und Völkerfreundschaft, für mich eine zweite bleibende Erfahrung.
Denke ich nur an die dritte Strophe
Glück und Friede sei beschieden
Deutschland, unserm Vaterland
Alle Welt sehnt sich nach Frieden
Reicht den Völkern eure Hand
Und das war nicht nur ein unerfüllter Anspruch. Wer sich mit Geschichte befasst, weiß, wie ehrlich und ernsthaft die DDR von Beginn an bis zum Untergang für Frieden gewirkt hat. Im Lande, aber auch international Und das geachtet und geschätzt.
Erst als die BRD aufrüstete, die Bundeswehr aufbaute, Wehrpflicht einführte, der NATO beitrat, ergriff die DDR jeweils adäquate Gegenmaßnahmen. Nicht zuletzt der 13. August diente dem Frieden. (Auch dem Antifaschismus, oft bestritten). Denn ohne ihn, so Heinz Kessler und Fritz Streletz „…. hätte es Krieg gegeben“.
Ihr wisst es am besten – Die NVA die einzige deutsche Armee, die keinen Krieg geführt hat. Keine Auslandseinsätze, wie sie heute zur Kriegsführung Deutschlands selbstverständlich sind. Und das Kriegsparlament, der Bundestag, stimmt ergeben zu – bis hin zu sogenannten Linken. Bewilligt Kriegskredite, 100 Mrd. Euro, verschleiernd Sondervermögen genannt.
Aber es wäre viel zu eng Friedenspolitik nur mit militärischen Argumenten zu belegen. Eigene Vorschläge, Abrüstungsmaßnahmen, Internationale Aktivitäten zur Friedenserhaltung – von Wien bis Helsinki – sahen die DDR immer auf der Seite der Friedenskräfte. Dank des Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus setzte sich auch im Völkerrecht der Frieden als universelle Wertvorstellung durch. Schutz und Sicherung des Privateigentums (des Profits), imperialistische Wertvorstellungen, wurden zunehmend durch das Selbstbestimmungsrecht der Völker, d.h. auch Souveränität über Naturreichtümer und Ressourcen, ersetzt.
Und heute? Deutschland hat sich im 2+4 Vertrag zwar auch zum Frieden verpflichtet. Das Gegenteil ist die reale Politik. Friedliche Streitbeilegung, Gewaltverbot, Vertragstreue sind ersetzt durch regelbasierte Ordnung, humanitäre Intervention, Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten – um nur einiges zu nennen.
Und nun weitreichende Raketen aus den USA, und den Krieg gegen Russland schon im Visier. Verhandlungen mit einer Friedensordnung noch nicht einmal angedacht.
Liebe Freunde!
Ein Drittes möchte ich als Bleibendes hier noch nennen:
Das ist unser Verhältnis zu Russland – Frieden und Freundschaft mit Russland.
Das entspricht historischer Erfahrung und Verantwortung.
Nehmen wir die jüngere Geschichte:
Viele hier wissen, die Befreiung vom Faschismus wurde natürlich als solche erst in einem längerem
Prozess empfunden. Über den faschistischen Geist sprach ich. Und die verbrannte Erde, von den Faschisten in der SU hinterlassen, war auch durch Reparationen nicht gut zu machen. Aber Reparationen waren ein Teil, um Schuld abzutragen.
98 % der Reparationen hat die DDR geleistet.
(Der Bremer Historiker Peters legte Helmut Kohl in den Wendejahren eine detaillierte Aufstellung vor, wonach 727 Milliarden DM die BRD an die DDR Ausgleichszahlungen zu leisten hätte).
Ein schwerer Anfang, besonders wirtschaftliche Belastung.
Sowohl die kluge Politik unserer führenden Politiker, Antifaschisten und Demokraten, sowie der sowjetischen Sieger vermochten es, innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums ein völlig neues Verhältnis zur Sowjetunion und deren Völker herzustellen. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Menschen zunehmend Herzenssache.
Wichtige Entscheidungen, z. B. Gründung der Gesellschaft für DSF, trugen dazu bei. Die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, ja die Verzahnung beruflicher, militärischer, persönlicher Bereiche und Interessen nahmen solche Formen an, von „den Freunden“ zu sprechen, wenn wir die sowjetischen, die russischen Menschen meinten.
Das ist hier weithin erhalten geblieben. Wie nicht auch zuletzt die Haltung zum Ukraine-Krieg und die Wahlen beweisen. Russland ist und bleibt unser Freund. Daran lassen wir nicht rütteln. Deshalb gegen Russophobie, Sanktionen, Waffen. Gegen den Krieg der NATO, angeführt von den USA.
Liebe Freunde!
Vieles, was bleibt, ließe sich noch sagen. Nicht zuletzt die soziale und persönliche Sicherheit, ja, ein Staat, der Zukunft zugewandt. Wenn ich an die Arbeitswelt, Bildung, Gesundheit, Kultur …. denke.
Nun leben wir in einem kapitalistischen System, in einem der Macht gierigsten und Kriegs treibenden. Bis zur Gefahr eines Weltenbrandes.
Ich komme auf die Nationalhymne zurück.
Aus heutiger Sicht, mit heutiger Erfahrung, muss man die damalige Sichtweise, den Text der Hymne nicht in allen Strophen zu singen, voll teilen:
Lasst uns Dir zum Guten dienen,
Deutschland, einig Vaterland.
Die Einigkeit in einem friedlichen neutralen Deutschland haben die westdeutschen Politiker hintertrieben. 1949 und 1990.
Heute ist Deutschland staatlich geeint. Und doch gespalten. Nicht nur zwischen Ost und West.
Geeint nach einem Vertrag, der weder gleichberechtigt noch ehrlich geschlossen wurde. Er nennt sich nur „Einigungsvertrag“. Ein „einig Vaterland“ ist nie hergestellt worden. Das wissen wir heute nach 34 Jahren deutlicher denn je. Weder „einig“ noch unser „Vaterland“.
Ich erinnere an Hacks und würde in Abwandlung sagen:
Wessen sollten sie sich rühmen, wenn nicht sich selbst.
75 Jahre Bundesrepublik ist kein deutsches Ruhmesblatt. Gegenwärtig schon gar nicht. Auch wenn sie sich selbst feiern.
Die jüngsten Wahlen in Thüringen und Sachsen haben das nachdrücklich bewiesen. Bewiesen haben die Wahlen aber auch, dass in Ostdeutschland Vieles der DDR erhalten blieb, ja sich sogar konsolidiert hat. Auch bei vielen Jungen.
Ohne Illusionen über Klarheit und Einigkeit in vielen Fragen:
Es ist ein Aufstand gegen Arroganz und Dummheit, Unfähigkeit, Bösartigkeit und Gefährlichkeit der Herrschenden und ihres Gefolges.
Das Grundgesetz, keine Verfassung des deutschen Volkes, wurde den Ostdeutschen zwangsweise über geholfen. Unter Verletzung der eigenen „Verfassung“.
Artikel 146 des GG mit der Bestimmung, dass es „seine Gültigkeit (verliert), an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“, wurde von den Politikern bewusst und gewollt missachtet.
Zurecht weist unser Freund Dr. Klaus Emmerich, Teilnehmer unseres Treffens, in einer Mail an die GRH auf diesen Bruch des GG hin.
Und er schlussfolgert:
Dem üblichen Gerede von „Verfassungstreue“ oder „Verfassungswidrigkeit“ fehlt jede Basis.
Ja, liebe Genossen und Freunde,
Sozialismus und Kapitalismus sind in diesem „einig“ Deutschland nicht zu verbinden. Bewahren wir und nutzen wir Bleibendes der DDR für unseren weiteren Kampf. Der gegenwärtig eine Friedensfront statt Heimatfront erfordert. Gegen neue US-amerikanische Raketen. Für Freundschaft mit Russland und China.
Wir halten es mit dem Historiker Kurt Gossweiler, unserem langjährigen Freund und Begleiter:
Die DDR „Kapitel 1 des Sozialismus“.