Von Hans Bauer

Der Osten hat gewählt. In einigen Ländern der nicht mehr existenten DDR. Die Wahlergebnisse schockieren die Mächtigen und ihren Hofstaat. Die „DDR“ hat die Berliner Machthaber abgewählt. Die Bevölkerung verweigert die Gefolgschaft trotz verordneter „Staatsräson“ und „Zeitenwende“ des Kanzlers. Fehlt nur noch der Ruf nach staatlicher Autonomie.

Wie konnte das geschehen? Wie undankbar! Alles vergessen? Bananen, Reisen und Autos? Die roten und grünen Radwege, bunten Farben und gläsernen Fassaden? Die „freiheitlich demokratische Grundordnung“? Die beste Demokratie der Welt; gerade zum 75. Mal bejubelt.

Nun fabulieren Herrschende in Politshows, Journalisten rätseln in ihren Redaktionsstuben, Moderatoren interviewen angebliche Experten, Forscher analysieren zum wiederholten Male – kaum Neues, und Ostbeauftragte verkünden altbekannte Weisheiten. Die Öffentlich-Rechtlichen überschlagen sich im Bemühen um „Aufklärung“ und Stimmungsumschwung. Mit Gleichsetzung der Wahlsieger BSW und AfD. Mit Propaganda gegen rechts, obwohl ihre Auftraggeber und sie selbst rechts stehen.

Ernsthafte Überlegungen über Ursachen und Motive der Entscheidungen in Ostdeutschland kaum zu vernehmen. Und wenn, dann Einzelfälle. Erkannte Mängel und Selbsteinsichten mit neuen Verunglimpfungen verbunden, oft gegen die DDR. Die übliche Arroganz gegenüber den „zurückgebliebenen Ossis“. Sendungen in TV und Rundfunk sind sogar verstärkt mit diesem Geist vergiftet.

Gründe für die Wahlentscheidungen sind natürlich unterschiedlich. Ohne Illusionen, auch Faschisten haben und wurden gewählt. Darüber bedarf es Aufklärung. Aber viele Wähler haben Gemeinsames – bewusst und unbewusst – die DDR. Nicht nur bei den Alten, mit deren Abgang die „Wahrsager“ das Verschwinden der Erinnerungen erhofften. Auch Junge stehen zu dem Erbe des sozialistischen deutschen Staates. Eine solche staatliche Erkenntnis würde allerdings ein ganzes Propaganda-System demontieren.

Nein, vergessen hat der Osten nichts. Weder die feindliche Übernahme der DDR vor 34 Jahren, den Raub des Volkseigentums sowie nicht eingehaltene Versprechen. Und nicht die anhaltende würdelose Behandlung ehemaliger DDR-Bürger. Mit einem bürokratischen Apparat, der Freiheit predigt, aber die Menschen entmündigt. Auch nicht vergessen die Zwangsübernahme des Grundgesetzes als Verfassung. Die Krone aber ist die heutige Politik der Machthaber, die allen Erfahrungen, Erwartungen und Hoffnungen widerspricht. Die zum kritischen Denken und zu neuen Erkenntnissen führt. Leider auch zu Irrwegen.

Die Folge sind Zorn und Wut, Empörung, Auflehnung und Aufruhr. Und die Suche nach Auswegen. Auch Erinnerungen an ein anderes Land – die DDR. In Sicherheit, Geborgenheit und Solidarität. „Der Zukunft zugewandt“, wie es in ihrer Nationalhymne heißt. Wertschätzung menschlichen Lebens. Frieden war oberstes Gebot. Dafür wurde alles getan. Selbst mit den schlimmsten Feinden verhandelt. Letztlich sogar das Land aufgegeben. Wozu sein Verlust führte, beweist der heutige Kurs des imperialistischen Deutschlands.

Erinnerung heißt auch historische Verantwortung nach den Verbrechen Deutscher im Osten. Und Dank für die Befreiung durch die Rote Armee 1945 und die Hilfe beim Aufbau einer antifaschistischen Republik. Deshalb waren Frieden und Freundschaft mit der Sowjetunion unumstößliche Staatspflicht. Und für die meisten Menschen zunehmend verinnerlicht. Mehrere Generationen hatten beruflich und persönlich enge Bindungen zur Sowjetunion, nach 1990 weiterhin zu Russland als Nachfolgestaat. Vor allem im wirtschaftlichen Bereich. Soweit nicht durch staatliche Willkür inzwischen zerstört.

Und das alles soll nun nichts mehr gelten? Statt Frieden und Wohlstand heißt das Programm Sozialabbau, Aufrüstung und Kriegsvorbereitung gegen Russland. Gegen die eigenen Interessen Deutschlands.

Gegen diese volksfeindliche Politik haben viele Ostdeutsche ihre Stimme erhoben. Bewiesen, dass sie aufgeklärt und souverän sind. Verantwortung tragen und das Vermächtnis der DDR lebendig bleibt.

75 Jahre nach Gründung der DDR ein starkes Signal des Widerstandes ostdeutscher Bürgerinnen und Bürger. Ein Aufstand für den Frieden, den das ganze Land so dringend braucht.

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Kommentar erschienen in den grh-Mitteilungen 10/24
Rechtsanwalt Hans Bauer ist Vorsitzender der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e.V.

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